Als meine erste erntshafte Beziehung begann hatten Telefone noch Wählscheiben.

Die Rufnummernübermittlung war noch nicht eingeführt, weil kein Telefon ein Display hatte, um die Nummer des Anrufers anzuzeigen. Telefonnummern hatte man im Kopf oder im Adressbuch. Und wenn man angerufen wurde, meldete man sich mit Namen und der Anrufer nannte den seinen.

Das ist heute anders. Wir speichern die Telefonnummern in Handy und Schnurlostelefon ein, und wenn mal ein Anruf eingeht, zu dem das Telefon keinen Namen nennen kann, runzeln wir die Stirn.

In meinen Telefonen hatte sich nach einigen Jahren als Single eine ziemliche Menge an weiblichen Vornamen mit Rufnummer angesammelt.

Eines Tages traf ich die Frau meiner Träume und wurde sesshaft.

Dann kam mein Geburtstag. Schnucki hatte meinen Wohnungsschlüssel und als ich vom Büro kam war schon alles vorbereitet. Ein festliches Menü, romantische Deokration und eine absolut hinreissend und sexy gekleidete Traumfrau warteten auf mich. An der Klinke der Schlafzimmertür war eine Schleife aus Geschenkband befestigt – mir war sofort klar, dass Schnucki ein Teil des Geschenkes war.

Nach dem Essen saßen wir mit auf dem Sofa, küssten uns, wurden immer wilder – als das Telefon klingelte. Ein Blick aufs Display: Meine Mutter.

Wie immer versuchte sie es alle 15 Minuten. Sie sozialisierte sich kommunikationstechnisch in einer Zeit, in der es nur zwei anerkannte Gründe gab, nicht ans Telefon zu gehen: Man war nicht zu Hause oder lag tot in der Diele. Also hinterließ sie keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter und ignorierte auch, dass das Telefon mir alle verpassten Anrufe von ihr anzeigen würde.

Als nach 4 Anrufen in ihrem Standardtakt der 5. nach nur 5 Minuten einging, wurde es Schnucki zu bunt. Das Klingeln und unser gemeinsames Augenrollen warfen uns immer wieder einige Minuten in unserem Vorspiel zurück.
Sie sprang auf, griff das Mobilteil, sah aufs Display und erstarrte.

„Thomas, Wer ist Schnuckel?“ fragte sie.

Auch ich erstarrte. Schnuckel war vor 2 Jahren. Eine der wenigen Bekanntschaften, die in mehr als einem gemeinsamen Wochenende mündeten. Nach 3 Wochen nannten wir uns mit Kosenamen und speicherten uns auch so im Telefon ab.

Der Abend war, was Schnuckis Planungen anging, gelaufen. Immerhin führten wir ein sehr positives Beziehungsgespräch. Als Fazit löschten wir noch am Abend alle Rufnummern, die nicht zur Familie oder wirklichen Freunden gehörten, aus unseren Handies.

Einige Wochen später saß ich auf dem Heimweg in der Straßenbahn als mein Handy klingelte. Im Display eine Rufnummer, die weder das Handy noch ich einem Namen zuordnen konnten. Ich meldete mich mit „Ja bitte?“ – in der Straßenbahn bin ich beim Telefonieren immer etwas gehemmt.

„Hi, ich bins, ich wollte mal hören, wie es Dir so geht, nach all der Zeit.“

Die Stimme der Anruferin war mir unbekannt. Die ältere Dame mir gegenüber guckte genervt – sie stammte aus einer Zeit, in der man mangels Handy nicht in der Straßenbahn telefonieren konnte und fand es ungehörig, dass das nun geht.

„Danke, mir geht’s gut, Wie sollte es auch anders sein bei diesem Wetter. Und wie ist es bei Dir?“

„Na, auch toll. Hattest du eigentlich damals die andere Stelle bekommen?“

Ich musste nachdenken – tatsächlich hatte ich mich vor drei Jahren in der Firma auf eine andere Stelle beworben. Welche Frauen waren vor drei Jahren in meinem Leben?

„Äh, ne, das hat nicht geklappt, aber ich habe eine Gehaltserhöhung bekommen.“

„Schade, ich dachte, dass Du mir da einen Gefallen tun könntest.“

Ich kam zum Kuckuck nicht drauf, wer sie war.

„Welchen Gefallen hätt ich Dir denn tun können? Erzähl, vielleicht kann ich ja auch so helfen.“

Sie erzählte mir eine längere Geschichte aus dem Berufsalltag. Sie arbeitete in irgendeiner Praxis. Also irgendwas medizinisches, was mich völlig verwirrte. Ich kannte keine Frau aus dem medizinischen Bereich so nah, dass ich ihr jemals mit ihr Telefonnummern ausgetauscht hätte.

Kurz vor meiner Haltestelle kamen wir zu einem Ergebnis: Sie würde sich in eine andere Praxis bewerben.
Ich schloss gerade die Haustür auf, da erhielt ich eine SMS.

Von ihr.

„Danke, Marco, unser Gespräch hat mir sehr gut getan.“