Ich möchte hier eine kleine Geschichte erzählen,die ich vor ein paar Wochen erlebt habe. Ich ging damals – gedankenverloren wie immer – auf der Kö spazieren. In der Nähe des Reaktionsgebäudes einer großen Tageszeitung wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.

„Hallo, Klaus ! Wie geht es Dir denn so? Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen !“

Es dauerte eine Weile, bis ich den Menschen, der mich gerade angesprochen hatte, meinem Bekanntenkreis zuordnen und identifizieren konnte. ich erkannte in ihm Reiner, einen ehemaligen Schulkameraden, der schon vor einigen Jahren die Schule verließ und eine Lehre begann. Damals war er ein etwas „poppriger“ Freak, der allem, was „in“ war, reges Interesse bot.

Nun aber sah ich ihn völlig verändert. Eine rote Jeans, arg verwaschen, ein rotes Hemd und ein roter Pulli drüber, so wäre er früher niemals herumgelaufen. Ich wunderte mich über seine ungewohnte Kleidung und wollte ihn grade darauf ansprechen, als mir die Kette um seinen Hals auffiel.

Es war eine Kette aus kleinen, roten Holzkugeln, an deren unteren Ende ein kleiner, runder, hölzerner Bilderrahmen hing. In diesem Rahmen sah man das Bild eines vollbärtigen, gütig drein blickenden Mannes mit wallendem grauen Haar. Der Szenekundige Leser wird es sicher schon erkannt haben : Reiner war ein Jünger des Guru Baghwan geworden, ein Sanyassin. Damit war auch die Frage nach seinem ungewohnten äußeren geklärt : Sie ist die „Uniform“ dieser religiösen Vereinigung.

Ich wusste nicht, wie ich seinen Willkommensgruß erwidern sollte, kannte ich mich doch mit den Lehren des Herrn Baghwan nicht gut genug aus, um eventuelle religiöse Tabus zu umschiffen.

„Reiner ! Du hast Dich aber verändert ! Ich hätte Dich fast nicht mehr erkannt ! Seit wann bist Du denn bei den Baghwans ?“ erwiderte ich ihm, nachdem ich mich mangels Alternativen für einen Kollisionskurs entschieden hatte. Und ein Kollisionskurs war es, das zeigte sich schon an Reiner Reaktion.

Es gibt nur eine Baghwan, mein Freund“, antwortete er, wobei ich eindeutig Ungeduld aus seinem ansonsten freundlichen Ton heraushören konnte. „Und dieser Baghwan lebt im Moment in Oregon. Und weil keiner weiß, wie lange er noch bei uns ist, müssen wir alle – auch Du – hier und jetzt für unsere Glückseligkeit arbeiten. Auch habe nicht ich mich verändert, nein, der Baghwan war es, er hat mich zu meinen Gunsten verändert. Und außerdem heisse ich nicht mehr Reiner, sonder Rudyard Ali Potatoes, das heißt ‚Glücklicher Kartoffelbauer‘.“

Nun, dass in vielen Sekten die Mitglieder ihren irdischen Namen ablegen und einen Religiösen annehmen war auch mir bekannt, aber wie hätte ich Reiner mit seinem richtigen Namen ansprechen können, bevor ich diesen kannte? Nun, aber dass es nur einen Baghwan gibt wusste ich bis dato noch nicht. Ich hatte mich halt noch nicht ausreichend mit den Lehren dieses Herrn befasst, wie gesagt. Das mit der Glückseligkeit interessierte mich aber, denn wer würde diese Sache nicht erwerben, wenn er die Möglichkeit dazu hat?

„Für die Glückseligkeit arbeiten … ? Sag‘ mal, das hört sich aber interessant an. Wie macht man das ?“ fragte ich ihn, um mein Interesse zu bekunden und guten Willen zu zeigen.

„Nun, um das grenzenlose Glück“, hörte ich ihn sagen, „zu erwerben, muss man nur für den Baghwan Geld verdienen, seine Reichtümer auf Erden mehren und somit den Grundstein für eine bessere Welt legen.“

Auch das hörte sich recht schlüssig an. Wenn keiner genau weiß, wie lange der Baghwan noch unter uns weilt, muss man um so mehr arbeiten, denn die Gelegenheit dazu kann ja jeden Moment vorbei sein. Ganz spontan entschloss ich mich, das Sonderangebot anzunehmen und den Jüngern beizutreten.

„Wie kann ich dieses Glück erreichen, wie kann ich mich Euch anschließen ?“
„Du musst einem Ashram beitreten, das ist eine Vereinigung völlig gleicher Brüder und Schwestern. Das macht dann ein Aufnahmegebühr von DM 1500,-. Du wirst für Deine Arbeit mit ca. DM 800,- entlohnt, wovon DM 600,- für Kost, Logis und Kleiderreinigung wieder an den Ashram zurückfließen. DM 150,- sind noch Abgaben wie Lohnsteuer etc. Dann bleiben Dir noch DM 50,- um Dich außerhalb des Ashrams verwirklichen zu können und Dir neue Kleider, Seife etc. zu kaufen.“

Kost, Logis und so weiter also quasi frei UND noch 50 Mark Taschengeld im Monat dafür, da ich für meine Glückseligkeit arbeiten darf ? Das hörte sich sehr verlockend an.

Ich ging den Handel ein.

Wie gesagt: das war vor ein paar Wochen. Ersteinmal im Ashram angekommen kamen mir Zweifel an der Richtigkeit meines Handelns. Die 50 Mark Taschengeld im Monat hatte ich zu meiner Schulzeit zu Hause auch schon, und für Kost und Logis arbeiten musste ich dort auch nicht. Nur etwas im Haushalt mithelfen, was im Ashram noch dazu kam. Und dann gefiel mir dieses Blassrot bald nicht mehr, blau ist da doch viel angenehmer…

Auch hatte ich bald festgestellt, dass es Brüder und Schwestern gab, die etwas gleicher waren als ich – in unsrem Ashram Reiner allen voran.

Kurzum : Nach dieser Erleuchtung kehrte ich dem Ashram den Rücken. Den Weg zum GRENZENLOSEN GLÜCK habe ich aber trotzdem gefunden.

Heute heisse ich auch nicht mehr Klaus, sonder Yan Lin Thor, soll heißen „Der Erleuchtete Gottessohn“. Meinen Anhängern vermittle ich den Weg zum Grenzenlosen Glück, so, wie ich es gefunden habe.
Die Aufnahmegebühr in meine Walhalla beträgt DM 700.-. Der für meinen Unterhalt und somit seine Glückseligkeit arbeitende Thor bekommt pro Monat DM 500,- , wovon er DM 600,- für Kost, Logis und Kleiderreinigung wieder abgeben muss.

Die Differenz darf er durch Betteln decken, ebenso wie die Kosten für seinen Blauen Anzug.

Ein Ableger in den USA ist in Planung.

Ach ja, neulich hat mein Chauffeur gekündigt. Er wollte auch eine Sekte gründen… Ist unter den Lesern vielleicht jemand, der sich in der Lage sieht, einen Silver Shadow heil durch Düsseldorf zu lenken ? Meine Kontaktadresse steht im Telefonbuch, unter K wie Kirche.

DISCLAIMER

Dieser Text stammt aus den 80er Jahren. Damals war ich schon Stammgast in der Bagghy-Disco in Düsseldorf. Ich habe auch Freunde, die Osho (so nannte er sich zuletzt) huldigen.

Schwamm drüber.