Reger Betrieb herrschte in der gräflichen Küche. Köchinnen und Dienstmägde huschten flink von Tisch zu Tisch, von Herd zu Herd und von Schrank zu Schrank um alle Gerichte rechtzeitig bereit zu haben. Da kam der Kammerdiener des Herrn Grafen und teilte mit, daß mit dem Auftragen der Vorspeisen begonnen werden möge.

Die Dienstmägde, die mit dem Servieren beauftragt worden waren, machten sich schnell auf, die Tabletts zu holen um ihren Auftrag ausführen zu können. Jedoch fanden sich auf den silbernen Tabletts verschiedentliche Flecken, die den Gästen sicherlich unangenehm aufgefallen wären.

Und von dem Erfolg dieses Festmahles hing für den Herrn Grafen sehr viel ab; hatte er sich doch auf die mit den Gästen geplanten Geschäfte fest eingerichtet. Zum Teil – dies aber nur am Rande – hatte der Herr Graf sogar erhebliche Kredite bei den Gästen aufgenommen, um die Geschäfte vorzubereiten. Die Flecken mußten also schnell entfernt werden, wenn man nicht den Zorn des Herrn Grafen auf sich ziehen wollte.

Zum Zwecke des Entfernens von Flecken, die erst kurz vor dem Verlassen der Küche auffielen (denn alle anderen Flecken wurden schon von lange vor dem Mahl von den Dienern entfernt), hing neben der Tür, am Porzellanschrank, ein stets sauberes Silberputztuch. Jedenfalls hing es dort für Gewöhnlich, nicht aber in diesem Moment. Die Serviererinnen, die ja eigentlich Dienstmägde waren, fragten, wer den das Tuch haben könne. Niemand wußte eine Antwort.

So suchte man die gesamte Küche ab, konnte das Tuch aber nirgends finden. Der Kammerdiener des Grafen kam unterdessen nochmals in die Küche und fragte, warum denn noch nicht serviert würde, der Herr Graf warte. Da kamen die Serviererinnen auf den Gedanken, die Flecken mit ihren weißen Schürzchen zu entfernen. Sie putzten und wienerten, jedoch brachte das keineswegs den gewünschten Erfolg.

Daher wiederholte man die Suche nach dem Tuch, das so spurlos verschwunden war. Man dehnte die Suche diesmal auch auf die angrenzenden Räume aus, dann auf den gesamten Gesindetrakt des Anwesens. Wieder ohne Erfolg.

Plötzlich fiel einer der Köchinnen – durch die Suche behindert stand der Betrieb in der Küche still – einer der sonst emsigen Köchinnen fiel ein, daß sie in der Vorratskammer noch eine Reihe von frischen Fensterledern gesehen habe. Man ging hin um nachzusehen, fand aber außer einigen alten Wischlappen nichts derartiges.

Da erinnerte sich der Kammerdiener des Herrn Grafen, der zum dritten Male hereingekommen war, um nach dem Beginn des Auftragens zu drängen, ein, daß das Silberputztuch am Vortage durch ein Unglück verschmutzt worden war und gerade gewaschen wurde. Da man keinen Ersatz hatte, wurde bereits am Vortage ein Dienstmädchen der Gräfin fortgeschickt, um einige Silberputztücher in der Stadt einzukaufen.

Das Dienstmädchen aber klagte, kaum losgegangen, über so starke Leibschmerzen, daß es in der Stadt in das Hospital gebracht wurde, wo man ihr eine Appendizitis diagnostizierte.

In der Zwischenzeit waren die Gäste des Grafen jedoch schon aufgebrochen, weil sie durch die unsägliche Verzögerung des Auftragens brüskiert und mithin vom Herrn Grafen enttäuscht waren.

So kam es, daß der Herr Graf einiger Flecke wegen fast sein ganzes Vermögen verlor, weil niemand da war, der die Aufgabe des erkrankten Dienstmädchens erfüllen konnte.