O, nein! Nicht mit mir!
Letztes Jahr habe ich ja schon gesagt, daß ich es nicht mehr lange mitmachen werde, aber dieses Jahr hat dem Faß den Boden ausgeschlagen. Trotz aller Traditionen und Gewohnheiten der Menschen – mich kriegen sie nächste Ostern nicht mehr an die Kandarre. Das wäre ja noch schöner!
Da denkt man in seiner Jugend, Osterhase sei ein schöner Beruf, eine Tätigkeit, die wirklich Berufung ist. Wenn man es dann aber erstmal ist, hängt es einem ganz schnell zum Halse heraus. Das ganze Jahr über gammelt man in der Gegend herum und langweilt sich schrecklich. Und dann, ein paar Wochen vor Ostern, geht die Plackerei um so mehr los. Eier kochen, färben, bemalen, von morgens vier bis abends um zehn ist an der Tagesordnung.
Und das gerade in der Frühlingszeit, wo alle anderen Hasen ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen. Alle meine Freunde und Verwandten haben Vergnügen und freuen sich des Lebens. Nur ich muß mich abrackern. Zum Heulen ist das. Aber es kommt noch schlimmer.
An einem Samstag abend geht es richtig los: Ich muß auf Teufel komm raus durch die Gegend hüpfen, die Kiepe auf dem Rücken, der der Kiloweise Eier sind, und die Eier verstecken. Sie können sicherlich verstehen, daß ich den Rest des Jahres keine Eier mehr sehen kann. Und überhaupt: Warum muß ich die Dinger eigentlich verstecken? Woher kommt diese Tradition? Ich weiß es!
Diese Tradition hat sich irgendjemand ausgedacht, der keine Hasen mochte.
Als ob alle Menschen Sadisten wären kommt zu den Quälereien in der Vorbereitung und dem schweren Schleppen noch etwas hinzu: Eine ganz gezielte Quälerei.
Viele Kinder warten die ganze Osternacht hindurch und lauern mir auf, um mir irgendwelche dummen Lieder vorzusingen. Etwa „Has‘, Has‘, Osterhas‘ mit Deinen bunten Eiern“ und ähnlichen Unfug. Fürchterlich; nicht nur, daß diese Kinder überhauptnicht singen können, nein! Die Texte der Lieder sind auch noch so unverschämt dämlich! Wie weit das geht werde ich gleich noch erzählen können.
Überhaupt, Kinder! Wie ich die hasse, und das nicht nur zur Osterzeit. Wiederlich, laut und frech sind sie. Ungezogen, wie sonst kein Wesen, das ich kenne. Und denen bringe ich jedes Jahr tonnenweise Ostereier, daß mir fast das Kreuz bricht vor lauter Schleppen. Und wenn ich mir überlege, wie hoch meine Rente ist,kommt mir das kalte Grausen. Die Bezahlung eines Osterhasen ist wirklich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.
Aber zurück zu den Kindern. Letztes Jahr haben so ein paar Gören doch glatt versucht, mich zu fangen! Weiß der Himmel, was sie mit mir angestellt hätten, wenn ich ihnen nicht entkommen wäre. Aber
Gott sei Dank habe ich die Falle noch rechteitig erkannt und bin nicht hineingehoppelt. Damals habe ich schon gesagt, daß ich, wenn das nochmal passiert, die längste Zeit Osterhase gewesen bin.
Und prompt passiert es dieses Jahr nocheinmal, nur, daß sie mich diesmal kalt erwischt haben. Mit einem Netz. Und warum da sganze? Weil in irgendeinem dieser dummen Lieder gesagt wird, daß ich Eier lege. Und das wollten die Kinder natürlich mit eigenen Augen sehen, da die Lehrerin es ihnen nicht geglaubt hat. Nicht nur, daß ich wochenlang Eier färbe, jetzt soll ich sie auch noch selbst legen! Von wegen! Selbst, wenn ich Eier legen könnte, würde ich ihnen den Gefallen nicht tun. Pah!
Ach, was rege ich mich eigentlich auf? Das war ja sowieso meine letzte Saison. Nächstes Jahr bin ich das ‚Häschen in der Grube‘, ich habe gehört, da soll eine Stelle frei sein. Die Bezahlung ist auch ganz gut, dafür, daß man den ganzen Tag nur in einer Grube hockt und schläft. In einem schönen, gemütlichen Bau…
Meine Kündigung bei der Ostergesellschaft habe ich schon geschrieben, die bringe ich gleich zur Post und dann Schluß
damit.
Sollen die sich doch einen andern Dummen suchen!